Eine Hommage an Alexis Gauthier und ein Weckruf an die kulinarische Vernunft
Die französische Küche – weltweit bewundert, oft kopiert, selten erreicht – gilt als Inbegriff von Kochkunst. Sie lebt von Tradition, Technik und einem tief in der Erde verwurzelten Begriff: Terroir.
Terroir ist mehr als Herkunft. Es ist Haltung.
Es ist die Idee, dass eine Zutat nicht nur schmecken soll, woher sie kommt, sondern auch wofür sie steht. Ein Camembert trägt die Geschichte seiner Weide, ein Wein das Flüstern seines Weinbergs.
Doch in unserer modernen Esskultur – irgendwo zwischen Champagne und Croissant – haben wir etwas Entscheidendes verloren: den ethischen Kompass.
Zwischen Mythos und Mikrowelle
Heute wird Terroir oft als reines Aroma-Konzept missverstanden. Als Geschmack, nicht als Verantwortung.
Denn was hat ein Masthuhn, aufgezogen in sterilen Hallen, gefüttert mit importiertem Monokultur-Soja, mit französischer Landwirtschaft zu tun?
So viel wie eine Plastiktüte.
Trotzdem hält sich der Mythos, dass Tierprodukte unersetzlich für kulinarische Authentizität seien. Selbst Spitzenköche, die sonst nur lokal und saisonal einkaufen, servieren argentinisches Rind oder polnische Ente –
solange es mit Demi-Glace übergossen und mit Mikrokräutern dekoriert ist.
Ein veganer Cassoulet, liebevoll zubereitet mit Tarbais-Bohnen aus Toulouse, sonnengetrockneten Tomaten, Wildrosmarin und geräucherter Paprika, wird dagegen als „nicht authentisch“ abgetan.
Aber mal ehrlich:
Was schmeckt mehr nach Südwestfrankreich – das oder ein vakuumverpacktes Coq au Vin aus der Mikrowelle?
Veganismus: Terroir 2.0
Veganismus ist keine Verleugnung französischer Tradition –
er ist ihre Weiterentwicklung.
Bevor Foie Gras kam, gab es Feigen.
Vor dem Zeitalter der Butter kam das Zeitalter des Brots.
Vor industrieller Tierhaltung lebten
Bäuer:innen und Sammler:innen im Einklang mit der Natur – nicht gegen sie.
Die Seele der französischen Küche war einst ein Spiegel dessen, was das Land freiwillig schenkte – nicht das, was man ihm mit Gewalt entreißt.
Ob Linsen aus Le Puy, wilde Pilze aus dem Périgord, oder Olivenöl aus der Provence – diese Zutaten erzählen Geschichten. Und wenn man sie nicht mit Fleisch oder Rahm übertönt, kann man sie auch hören.
Die Natur hat einen Geschmack.
Man muss ihn nur lassen.
Fakten, die auf der Zunge brennen
Die Wissenschaft ist klar:
Die Tierindustrie ist eine der Hauptursachen für die Klimakrise, Artensterben, Entwaldung und Wasserverschmutzung.
Doch Frankreich – ein Land, das stolz auf seine intellektuelle Tiefe ist – ignoriert das oft mit einem Schulterzucken und einem „Aber das gehört doch dazu...“
Wir erklären Veganismus für extrem,
und normalisieren dabei Grausamkeit,
CO₂-Ausstoß und kulturelle Widersprüche.
Es ist Zeit für ein neues Verständnis von Terroir
Wir brauchen eine neue Generation von Köch:innen, Landwirt:innen
und Esser:innen, die erkennen:
Terroir ist nicht nur ein Geschmacksprofil –
es ist ein moralischer Kompass.
Ein Kompass, der uns sagt:
🌱 Pflege die Böden, auf denen du anbaust.
🌸 Erhalte die Artenvielfalt.
🐄 Respektiere Tiere – als Mitgeschöpfe, nicht als Zutaten.
🌍 Produziere Lebensmittel, die der Erde gut tun – und
nicht bloß dem Ego.
💡 Alexis Gauthier: Der Sternekoch, der Sterne neu denkt
Alexis Gauthier – mein persönliches Vorbild – ist ein französischer Spitzenkoch, der die Haute Cuisine revolutioniert hat. In seinem Londoner Restaurant Gauthier Soho serviert er heute ein rein veganes Fine-Dining-Menü – inspiriert von der französischen Kochkunst, befreit von tierischer Ausbeutung.
Einst bekannt für seine Foie Gras – heute ein lautstarker Kritiker eben jener Praktiken, für die er einst gefeiert wurde.
„Vegan zu kochen heißt nicht, weniger zu tun –
es heißt, bewusster zu wählen.“ – Alexis Gauthier
Sein Mut, umzudenken, zeigt: Genuss und Gewissen sind kein Widerspruch –
sie sind die neue Basis echter Kulinarik.
✨ Was, wenn französische Küche nicht länger auf Tierleid basiert – sondern auf Wahrheit, Achtsamkeit und Tiefe?
Stell dir ein Menü vor, das nicht nur gut
schmeckt –
sondern sich auch gut anfühlt.
Genau da beginnt die Zukunft von Terroir.
Und ich freue mich, ein Teil davon zu sein.
☕️ Und ja – es geht auch um das Ei im Kuchen.
Oder die Sahne.
Oder die Milch im Kaffee.
Wenn wir auf Herkunft, Qualität und Atmosphäre achten – sollte genau diese Konsequenz auch in den kleinen Dingen spürbar sein.
Denn was nützt es, Bohnen aus fairem Anbau zu servieren, wenn sie dann mit Kuhmilch aus anonymer Massenhaltung übergossen werden?
Was bringt der Bio-Dinkelboden, wenn im Kuchen ein Ei steckt, das aus
einem System stammt, das Tiere als Ware behandelt?
Das ist keine Dogmatik. Kein
Missionieren.
Das ist gelebte Ethik.
Und ja – es ist auch Klarheit, die Gäste spüren.
Ein Kaffee, der nicht nur gut schmeckt – sondern auch gut tut.
Ein Stück Kuchen, das nicht nur satt macht – sondern auch Sinn.
Bon appétit.
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Inspiration & Quelle:
Dieser Beitrag ist inspiriert von einem leidenschaftlichen Essay des veganen Sternekochs Alexis Gauthier, der in "Veganism – Terroir’s Glow-Up" eindrucksvoll zeigt, dass französische Küche auch ohne Tierleid auskommt.
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